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Pressemitteilungen

Debatte zu Grenzkontrollen am Brenner und Flüchtlingswelle

Die Berichte von Rossi und Kompatscher, die Stellungnahmen der Abgeordneten. Antrag von 5 Sterne Bewegung und Grünen zu drittem Gleis zwischen Bozen und Trient angenommen.

Zu Beginn der Nachmittagssitzung kritisierte Claudio Civettini, dass man den ganzen Vormittag mit einer Debatte zum Fortgang der Arbeiten vergeudet habe, weil die Mehrheit nicht mehr wisse, wofür sie sei.

Präsidentin Chiara Avanzo teilte mit, dass der Beschlussantrag Nr. 34 auf Wunsch der Einbringer vertagt und auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt wird.

Nächster Punkt auf der Tagesordnung war der Bericht des Präsidenten der Region Ugo Rossi über die Situation an der Grenze zu Österreich und über die Flüchtlingsfrage. Er berichtete von den Gesprächen mit Rom und Wien und an das gemeinsame Ersuchen der drei Landeshauptleute an die beiden Regierungen, eventuelle Maßnahmen zur Brennergrenze mit ihnen abzusprechen. Auch wenn von der Situation am meisten Südtirol betroffen sei, so ermögliche ein gemeinsames Vorgehen in dieser Sache eher einen Erfolg und gebe zudem der Europaregion Sichtbarkeit.

Vizepräsident Arno Kompatscher berichtete über die nachfolgenden Treffen, etwa mit den Polizeikräften des Bundeslandes Tirol. Demnach wolle man auf der Autobahn zwei Fahrspuren beibehalten, wo dann die Kontrollen stattfinden würden. Ebenso werde es Kontrollen in den Zügen geben, und zwar während der Fahrt, sodass diese nicht beeinträchtigt werde. Fortschritte habe es auch bei der Nutzung der leeren Kasernen gegeben. Italien werde Personen, die über den Brenner wollten, bereits weiter im Süden, ab Rom, dazu auffordern, die Reise nicht fortzusetzen. Gemeinsam bereite man sich auf das vor, was Österreich für den April angekündigt habe. Dazu werde es noch weitere Treffen mit österreichischen und italienischen Stellen geben.

Wer vor einem Jahr die Schließung der Grenzen gefordert habe, sei als Fremdenhasser hingestellt worden, meinte Maurizio Fugatti (Lega Nord), heute würden Regierungen dies umsetzen. Es werde schwer zu erreichen sein, aber man müsse darauf bestehen, dass die zusätzlichen Flüchtlinge nun auch auf andere Regionen verteilt werden. Die meisten, die bis vor kurzem zu uns gekommen seien, stammten nicht aus Kriegsgebieten, und diese hätten unsere Aufnahmestrukturen bereits aufgefüllt. Was Rossi angekündigt habe, werde nicht reichen, wenn die Flüchtlingswelle wieder den Weg über Italien nehme.

Hauptschuld an der misslichen Lage trage die Einwanderungspolitik der Regierung Renzi, erklärte Alessandro Urzì (gemischte Fraktion). Österreichs Maßnahmen seien sicher nicht im Sinne Schengens, aber es habe keine andere Wahl, wenn es mit der Situation fertig werden wolle.

Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) sah Gewitterwolken über der Europaregion. Das sehe man auch am jüngsten Treffen zwischen LH Platter und dem bayerischen Ministerpräsidenten. Dazu komme noch das sektorale Fahrverbot in Nordtirol. Italien habe die Flüchtlinge bisher durchgewinkt, und es sei verständlich, dass sich andere Staaten dagegen wehrten. Die Südtiroler würden zu Zaungästen im eigenen Lande. Die Treffen Kompatschers hätten nichts gefruchtet. Anders wäre es gekommen, wenn er sich für die doppelte Staatsbürgerschaft eingesetzt hätte. Aber jeder Vorschlag zu mehr Zusammenarbeit mit Tirol werde abgeschmettert.

Zimmerhofer trage zum Glück nicht die Verantwortung in diesem Lande, denn Lösung habe er keine parat, meinte Dieter Steger (SVP). Der Druck auf die EU habe zugenommen und habe zu Kontroversen über Grenzschutz und Grenzöffnung geführt. Frontex sei nicht ausreichend, die Erstaufnahmestaaten müssten stärker unterstützt werden. Eine koordinierte Herangehensweise werde vor allem von populistischen Regierungen einiger Staaten verhindert. Die offenen Grenzen, die Europa ausmachten, gerieten ins Wanken. Es wäre falsch, dafür allein Österreich verantwortlich zu machen. Grenzzäune seien keine Lösung, das Problem werde nur auf die Nachbarn abgeschoben. Die Nationalstaaten seien überholt. Was es brauche, sei ein politisches Europa, das sich um die großen Fragen kümmere, der Rest müsse den Regionen und Gemeinden übertragen werden. Wer heute eine Lösung erschwere, das seien die Nationalstaaten, der Europäische Rat, nicht das Europaparlament. Um das Problem zu entschärfen, brauche es mehr Kontrolle an den EU-Außengrenzen und zum Flüchtlingsstatus sowie Hilfe in den Herkunftsländern. Für die Europaregion könne diese Krise auch eine Chance sein, sie trete mit einer Stimme auf, auch als Gegenpol zu einer nationalstaatlich orientierten Politik.

Europa sei deswegen in der Krise, weil die politischen Kräfte, die an der Regierung seien, sich gegen Änderungen wehrten und vor allem jede Unabhängigkeitsbestrebung verhindern wollten, meinte Sven Knoll (STF). Die Frage sei heute nicht, wie man andere belehren könne, sondern was man selbst konkret tun könne. Österreich wolle die Kontrollen am Brenner nicht als Strafe für Südtirol, sondern, weil Italien die Flüchtlinge ohne Kontrolle durchlasse. Hotspots an den italienischen Küsten seien nicht machbar bzw. wirkungslos. Denkbar wäre eine Registrierungsstelle an der Südgrenze der Europaregion. Der Zaun am Brenner werde die Flüchtlingswelle nicht aufhalten. Die Regionalregierung solle sich dafür einsetzen, dass Italien bereits südlich des Brenners Kontrollen vornimmt.

Die zentrale Frage sei, warum so viele Flüchtlinge kämen, meinte Hans Heiss (Grüne). Die Krisen in Afrika und Nahost würden uns noch Jahrzehnte begleiten, die Menschen dort hätten kaum noch Existenzmöglichkeiten. Österreich habe gemessen an seiner Einwohnerzahl bisher mehr in der Flüchtlingsfrage geleistet als andere Länder, aber nun sei es umgeschwenkt, wohl auch als Vorleistung für eine künftige schwarzblaue Regierung. Italien müsse eine proaktive Rolle in der Flüchtlingspolitik spielen und sich auf die Herausforderung der kommenden Jahrzehnte einstellen. Wir hier hätten die Aufgabe, für Unterbringung und Ausbildung zu sorgen. Eine Katastrophenstimmung sei nicht berechtigt, aber jede müsse das Seine zur Lösung beitragen.

Giacomo Bezzi (LNFI) begrüßte den russischen Truppenrückzug aus Syrien, dies sei bereits ein gutes Zeichen. In unserer Region seien 60 Prozent der Angekommenen nicht Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, aber sie würden die Aufnahmestrukturen besetzen, die es für die echten Flüchtlinge bräuchte. Natürlich sei er gegen die Schließung der Brennergrenze, aber Kundgebungen mit “Bella Ciao”, bei denen auch Rossi gesichtet wurde, würden uns nicht weiterbringen.

Die Zeichen seien klar, die Kontrollen würden kommen, stellte Pius Leitner (Freiheitliche) fest. Die grenzüberschreitende Kommission zum Grenzmanagement bestehe aus vier Beamten, das gepriesene Frühwarnsystem habe nicht funktioniert. In Deutschland sei nun eine bestimmte Politik eindeutig abgewählt worden.  Er sei nicht für die Schließung der Grenze, aber was Österreich getan habe, werde viele in der EU hoffentlich wachrütteln. Nun wolle auch Merkel eine Schließung der Außengrenzen. Südtirol aber denke nun, wie es die Flüchtlinge unterbringen solle, und nicht, wie man sie davon abhalten könnte, hierher zu kommen. Alles werde nur mehr auf Verwaltungsebene angedacht. Regionen und Gemeinden müssten die Entwicklung ausbaden. Man rede heute viel von Integration, aber die sei nie gelungen. Die Zuwanderer seien vor allem Muslime, sie sich nicht integrieren dürften und wollten. Das werde aber unter den Teppich gekehrt. Mindestens 60 Prozent der Zuwanderer seien keine Flüchtlinge. Man dürfe nicht warten, bis alle kämen, sich dann um die gerechte Verteilung kümmern. Man müsse etwas tun, damit sie nicht kämen. Unsere Bürger hätten großes  Verständnis dafür, wenn man den Flüchtlingen helfe, vor allem wenn man ihnen helfe, nicht zu Flüchtlingen zu werden. Der Großteil derer, die derzeit nicht kämen, sei auch nicht auf dem Arbeitsmarkt integrierbar.

Rodolfo Borga (Amministrare e Civica Trentina)  bezeichnete das Bemühen der Regionalregierung als gescheitert. Die Grenzkontrollen würden kommen und die zusätzlichen Flüchtlinge würden nicht auf die anderen Regionen verteilt. Die Stimmung in Deutschland sei gekippt, auch wegen der Kriminalstatistik, siehe die Vorfälle von Köln. Aber das werde von den Berufsfeministinnen immer unter den Tisch gekehrt. Nun wolle auch Renzi die Schließung der EU-Außengrenzen, aber als die letzte Berlusconi-Regierung die Grenzen dicht machen wollte, habe die EU mit Sanktionen gedroht. Nun drohten viele Staaten mit der Aufkündigung des Schengen-Abkommens, das Europa, von dem die Regionalregierung spreche, gebe es nicht mehr. Was die Landeshauptleute der Euregio wirklich tun sollten: Eine andere Außenpolitik zu fordern, denn nur so könne man die Völkerwanderung aufhalten.

Marino Simoni (Progetto Trentino) erinnerte an die Zeiten, als ein Fünftel der Trentiner ausgewandert ist, weil es hier keine Arbeit gegeben habe. Diese hätten in der Neuen Welt ihren Beitrag geleistet. Das Ende Schengens sei für ihn eine Horrorvorstellung, die Schließung der Grenzen seien Zeichen der Unfähigkeit, Lösungen zu finden. Voraussetzung für eine Lösung seien klare Regeln. Mit Grenzen erreiche man nichts, auch nicht bei Borghetto. Das müsse man auch beim Dreier-Landtag ansprechen.

In seiner Replik dankte Präsident Ugo Rossi für die Stellungnahmen und Anregungen. Eine echte Lösung werde es nur vor Ort in den Herkunftsländern geben. Worin diese bestehe, habe er heute nicht gehört. Viele würden den Flüchtlingen ihren Status absprechen. Diese bräuchten nur kurz im Internet die Situation in Syrien, Eritrea und vielen anderen afrikanischen Ländern anschauen. Heute seien österreichische Kontrollen südlich des Brenners angeregt worden, aber das sei nicht möglich, weil sich Österreich entschieden habe, die Kontrollen an den Grenzen vorzunehmen. Dieses Phänomen lasse sich nicht mit Strichen auf der Landkarte aufhalten. Wir dürfen uns nicht einschließen, meinte Rossi, denn das würde auch für uns selber Probleme bedeuten.

Beschlussantrag Nr. 31, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Köllensperger, Degasperi und Foppa, mit dem der Regionalausschuss verpflichtet werden soll, gemeinsam mit den autonomen Provinzen Trient und Bozen beim italienischen Schienennetzbetreiber RFI vorstellig zu werden, auf dass das Projekt zur Realisierung des dritten Bahngleises zwischen Bozen und Trient in die Wege geleitet wird sowie zu überprüfen, ob die Möglichkeit der Finanzierung für die Ausarbeitung des Projektes gegeben ist. “Die Kosten-Nutzen-Rechnung eines derartigen öffentlichen Vorhabens wäre zweifelsohne positiv”, erklärte Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung), “die Verlegung eines dritten Bahngleises wäre in technischer Hinsicht ohne größere Schwierigkeiten machbar und im Vergleich zu ähnlichen, bereits beschlossenen Investitionen sicherlich auch angemessen. Der Herausforderung, der es zu begegnen gilt, besteht darin, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten (für Ansässige, Pendler und Touristen), auf dass dieser in der Tat eine gangbare Alternative zum Gebrauch des eigenen Fahrzeugs darstellt.”
Brigitte Foppa (Grüne) erinnerte an andere Bemühungen zum Ausbau des Bahnnetzes, die sich aber vor allem auf die Hochgeschwindigkeit konzentrierten. Mit dem vorliegenden Vorschlag würde man hingegen der Bevölkerung vor Ort besser entgegenkommen.
Bei RFI sollte man vorstellig werden, um den Südtiroler Anteil der Strecke zu übernehmen, meinte Bernhard Zimmerhofer (STF). Danach könnte man nach Schweizer Vorbild vorgehen und über eine Volksabstimmung Prioritäten setzen. Diese würden laut Bevölkerung woanders liegen, vor allem bei der Überetscher Bahn und der Strecke Meran-Bozen. Er kündigte wohlwollende Enthaltung an.
Ass. Giuseppe Detomas plädierte für eine Gesamtsicht auf das Schienennetz, die auch den Brennertunnel und den Warenverkehr darauf umfasse. Das dritte Gleis sollte in diesem Rahmen eingefordert werden. Mit dieser Präzisierung würde die Regionalregierung dem Antrag zustimmen.
Der so geänderte Antrag wurde mehrheitlich genehmigt.

Der Regionalrat tritt im April wieder zusammen.