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Nein zum Panaschieren bei Gemeindewahlen
Zu Beginn der Sitzung lud Präsident Roberto Paccher die Abgeordneten zu einer Schweigeminute zum Gedenken an drei ehemalige Mitglieder des Regionalrats ein, die kürzlich verstorben sind. Am 21. Mai 2025 verstarb der ehemalige Regionalratsabgeordnete Franz Demetz, der in der Provinz Bozen in der sechsten und siebten Legislaturperiode auf der Liste der SVP gewählt worden war. Am 31. Mai 2025 verstarb Luigi Cigolla, der in der Provinz Bozen in der elften, zwölften und dreizehnten Legislaturperiode auf den Listen der DC/Partito Popolare, von Il Centro - UDA und der Unione Autonomista gewählt worden war. Am 1. Juni 2025 verstarb Wilhelm Erschbaumer, der in der Provinz Bozen in der siebten und achten Legislaturperiode auf der Liste der SPS gewählt wurde.
Gesetzentwurf Nr. 19: Änderung der Gebietsabgrenzungen der Gemeinden Brixen und Vahrn im Bereich der Elisabethsiedlung (eingebracht von der Regionalregierung). Ass. Franz Locher wies darauf hin, dass zu dieser Grenzverschiebung bereits das positive Gutachten der beiden Gemeinden und der Südtiroler Landesregierung vorliegt. Konkret gehe es darum, dass der Grünbereich der Siedlung auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde liegt, was auch die Gebäudesanierung erschwert.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) sah darin ein Beispiel für Ineffizienz und Bürokratie, in anderen Ländern brauche es kein Gesetz für eine Gebäudesanierung.
Der Gesetzentwurf wurde einstimmig genehmigt.
Gesetzentwurf Nr. 3: Bestimmungen auf dem Sachgebiet der Zusammensetzung und Wahl der Gemeindeorgane - Änderungen zum Regionalgesetz Nr. 2 vom 3. Mai 2018 (Kodex der örtlichen Körperschaften der autonomen Region Trentino-Südtirol) in geltender Fassung (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Rieder, Ploner Alex und Ploner Franz). Ziel des Gesetzentwurfs ist, gemäß Änderungsantrag der Einbringer, die Einführung des sog. Panaschierens in Südtiroler Gemeinden mit bis zu 3.000 Einwohnern; dadurch würde die Möglichkeit geschaffen, die Vorzugsstimmen auch auf andere als der gewählten Liste zu verteilen. Die Debatte zum Gesetzentwurf hatte bereits in der Sitzung vom 19. Februar begonnen.
Paul Köllensperger (Team K) sah in dem Vorschlag einen Beitrag gegen die zunehmende Wahlmüdigkeit. Man sollten den Wählern die Möglichkeit geben, jene zu wählen, die sie für geeignet halten, unabhängig von der Partei, denn in kleinen Gemeinden kenne man sich. Mit dem Änderungsantrag würde die Möglichkeit auf Gemeinden unter 3.000 Einwohnern beschränkt. In der Schweiz, in Deutschland oder in Frankreich sei dies auf Gemeindeebene bereits möglich. Das Panaschieren würde zwar den Parteizentralen etwas Macht nehmen, aber es würde das Wählen interessanter machen.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) wies darauf hin, dass der ursprüngliche Entwurf auch 4 Vorzugsstimmen (bisher 2) für die Trentiner Gemeinden vorgesehen habe, aber da gebe es noch zu wenig Zuspruch. Angesichts der geringen Wahlbeteiligung, wie auch jüngst bei den Gemeindewahlen, müsse man etwas unternehmen. Aufgrund der Einwände in der Gesetzgebungskommission habe man den Gesetzentwurf auf Südtirol beschränkt und auch da nur auf die Gemeinden unter 3.000 Einwohnern. Es wäre ein kleiner Paradigmenwechsel, den man einmal probieren sollte - und bei Erfolg ausdehnen. Die Listenstimme würde bleiben wie bisher, aber die Vorzugsstimmen könnten auf Kandidaten verschiedener Listen verteilt werden.
Sandro Repetto (PD) sah die Einschränkung auf kleinere Gemeinden sinnvoll. In größeren Gemeinden hätte das Panaschieren wenig Sinn, dort hätten die Parteien mehr Gewicht, und im Wahlkampf werde auch parteipolitisch diskutiert. Er habe keine klare Position zu diesem Gesetzentwurf, das Problem sehe er eher beim passiven Wahlrecht: Es gebe zu wenig Kandidaten, zu wenig klare Alternativen.
Brigitte Foppa (Grüne) erläuterte im Detail, wie das Panaschieren in Deutschland funktioniert. Das System sei einfach, die Gefahr, sich zu verzetteln, gering. In den kleinen Gemeinden kenne man sich. In Südtirol sei es bei den letzten Wahlen in vielen Gemeinden zu einer Einheitsliste gekommen, weil man aus dieser Wahl keine Parteiangelegenheit machen wollte. Aber das sei keine gute Lösung, denn auch in kleinen Gemeinden könne es manchmal politisch werden. Sie wundere sich, dass es angesichts der heutigen Wahlmüdigkeit einen solchen Widerstand gegen neue Lösungen gibt.
Man sei sich einig, dass es Maßnahmen zur Erhöhung der Wahlbeteiligung brauche, erklärte Harald Stauder (SVP). Man habe mit Gemeindevertretern über den Gesetzentwurf gesprochen und dabei viele kritische Rückmeldungen erhalten. Wenn in manchen Gemeinden nur die SVP antrete, dann dürfe man daraus nicht der SVP einen Vorwurf machen. Wenn man mehr demokratische Auswahl wolle, müsse man sich auch zur Wahl stellen. Wenn man nicht in der Lage sei, in einer Gemeinde eine eigene Liste aufzustellen, brauche man nicht vom Panaschieren reden. Seine Fraktion werde dem Entwurf nicht zustimmen, es gebe geeignetere Möglichkeiten, um das Wahlsystem zu verbessern.
Francesco Valduga (Campobase) sah ebenfalls die Notwendigkeit, alles zu tun, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Auch Spielregeln könne man ändern, es brauche dazu aber einen breiten Konsens. Im Trentino habe man eine Zeitlang das Panaschieren versucht, aber es sei nicht zu den gewünschten Resultaten gekommen. Prinzipiell habe er auch Vorbehalte gegenüber unterschiedlichen Wahlsystemen in den beiden Provinzen.
Michela Calzà (PD) wandte ein, dass der Gesetzentwurf zumindest ein gemeinsames Problem aufzeige; die geringe Wahlbeteiligung. Man könne sich das Panaschieren durchaus überlegen, anderswo funktioniere es bereits. Andererseits könne es auch zu mehr Instabilität führen. Vor allem in den größeren Gemeinden, aber oft auch in den kleinen, lebe die Mehrheit auch von einem politisch-ideologischen Rückhalt, und der könnte mit den parteiübergreifenden Vorzugsstimmen verloren gehen. Man sollte das Thema noch genauer studieren.
Myriam Atz (Süd-Tiroler Freiheit) sah den Entwurf grundsätzlich positiv. Die Wahlmüdigkeit sei ein echtes Problem, und Schuld sei die Mehrheit, die Regierungen einsetze, die nicht dem Wählerwillen entsprächen. Das schwäche das Vertrauen in die Politik. Das könne man auch nicht mit einem neuen Wahlmodus ändern. Dennoch werde man dem Entwurf zustimmen. Atz sah aber ein Problem im Detail: Wenn eine Partei zu wenig Stimmen für ein Mandat bekomme, obwohl einer ihrer Kandidaten durch das Panaschieren genügend Stimmen für ein Vollmandat hätte.
Andrea de Bertolini (PD) zeigte sich skeptisch gegenüber dem Vorschlag. Es sei eine Unsitte, auf jedes Problem, in diesem Fall die Wahlmüdigkeit, mit einer Änderung der Spielregeln zu reagieren. Die Wahlmüdigkeit sei ein kulturelles Problem. Das Wahlsystem sei bereits kompliziert, jede zusätzliche Regel würde die Distanz zwischen Wählern und Politik vergrößern.
Chiara Maule (Campobase) teilte die Bedenken. Aber da die neue Fassung des Entwurfs nicht mehr das Trentino betreffe, werde man dafür stimmen. Grundsätzlich sei sie skeptisch, wenn man Person und politisches Projekt trenne.
Ass. Franz Locher meinte, das Panaschieren werde nicht viel an der Wahlbeteiligung ändern. Man habe die Gemeindewahlen am 4. Mai insgesamt gut hingekriegt, auch mit verschiedenen Verbesserungen am System. Wenig Verständnis habe er für jene, die dem Gesetz zustimmten, solange es nicht für ihre Provinz gelte. Wie Atz sah auch Locher das Problem von Kandidaten mit genug Vorzugstimmen, aber ohne Sitz, weil ihre Liste nicht zum Zug komme. Listenzeichen und Programm seien für die Wahlen wesentlich. Verschiedene Parteien würden auch unabhängige Kandidaten aufnehmen, auch das funktioniere. Der Parteizwang sei also nicht absolut. Beide Gemeindeverbände hätten ein klares Nein zum Entwurf geäußert. Er fände es auch nicht richtig, das System probeweise in einer Provinz einzuführen. Das System wäre auch sehr kompliziert.
Paul Köllensperger sah im derzeitigen System eine Einschränkung für die Bürger. Die Gemeindeverbände hätten für ihr Nein keine Begründung geliefert. Er verstehe auch nicht den Einwand der Komplexität: Wenn es in der Schweiz oder in Deutschland funktioniere, werde man es auch hier hinkriegen. Er bat die Trentiner Abgeordneten, dem Entwurf zuzustimmen und den Südtiroler das Panaschieren zu ermöglichen. Stauder wie Locher hätten von nötigen Maßnahmen gegen die Wahlmüdigkeit gesprochen, aber keine genannt.
Maria Elisabeth Rieder sah in der Debatte ein Zeichen, dass die großen Parteien gegen eine Änderung des Systems seien. Die Bürger hingegen würden sich bei Gemeindewahlen wünschen, ihre Stimme unabhängig von Parteien abgeben zu können. Dass in vielen Gemeinden nur die SVP antrete, liege auch daran, dass viele sich nicht trauten, außerhalb der SVP zu kandidieren. Man könne auch nicht sagen, dass das Panaschieren die Gemeinden unregierbar mache; in vielen Gemeinden habe der Bürgermeister keine Mehrheit und müsse sich mit anderen arrangieren.
Der anschließende Übergang zur Artikeldebatte - und damit der Gesetzentwurf - wurde vom Plenum mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 16 betreffend die Umsetzung der EU-Richtlinie 2023/970 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen in der Region Trentino-Südtirol (eingebracht von den Abg. Rieder, Köllensperger, Ploner Alex und Ploner Franz). Die Forderungen: Aufnahme der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie in die strategischen Ziele des Wirtschafts- und Finanzdokuments der Region; Vorlage eines regionalen Aktionsplans zur konkreten Anwendung der Richtlinie - a) in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung in der Region, b) in den Unternehmen, an denen die Region beteiligt ist, sowie c) in Unternehmen, die Anleihen des Regionalen Strategiefonds erworben haben; Regelmäßige Überprüfung des Umsetzungsstands und Veröffentlichung von Jahresberichten.
Die Europäische Kommission hat im Mai 2023 die Richtlinie zur Gleichstellung der Entlohnung zwischen Männern und Frauen verabschiedet, erklärte Maria Elisabeth Rieder (Team K). Die Richtlinie fordert transparente Gehaltsinformationen, objektive und nichtdiskriminierende Vergütungssysteme sowie regelmäßige Berichterstattung über geschlechterspezifische Lohnunterschiede. Italien habe noch erhebliche Mängel in der Lohntransparenz, darunter ein fragmentiertes rechtliches Rahmenwerk und fehlende geschlechtsneutrale Bewertungssysteme. Die Region sollte hier einen Schritt voraus gehen, auch in Zusammenarbeit mit dem Land Tirol, das hier schon weiter sei.
Lucia Coppola (Grüne) wies darauf hin, dass die Lohnschere zwischen Mann und Frau auch in unserer Region sehr hoch sei, und das wirke sich auch auf die Pension aus. Um dieses Problem anzugehen, sei es genau zu erheben. Die Gründe seien vielfältig; Frauen hätten auch die Last der Familienarbeit, Frauen würden auch weniger oft um ihr Gehalt verhandeln.
Myriam Atz (Süd-Tiroler Freiheit) merkte an, dass es hierzulande auch höhere Lebenshaltungskosten gebe, die alle beträfen. Frauen seien vor allem von der Altersarmut betroffen. Durch die Familienarbeit seien sie oft gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten, was sich auch auf die Pension auswirke. Es wäre ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, wenn auch Italien die Familienzeit für die Rente anrechnen würde. Mit den regulären Kollektivverträgen komme man in so einem hochpreisigen Land nicht über die Runden, da sollte die EU-Mindeststandards festlegen. Hauptanliegen sollte es sein, dass Männer und Frauen mehr verdienen.
Michela Calzà (PD) begrüßte den Antrag. Die Lohnschere sei heute nicht mehr zu rechtfertigen. Die EU habe Vorgaben gemacht, aber Italien sei noch im Rückstand. Laut einer Studie würden sich Frauen lieber bei Unternehmen bewerben, die bei den Gehältern transparent seien. Ebenfalls laut Erhebungen seien die Gehälter der Frauen um 30 Prozent niedriger, ihre Arbeitsverhältnisse prekärer.
Die Debatte wird am Nachmittag wieder aufgenommen.
Videoaufnahmen von der Sitzung am 18. 6. 2025:
https://we.tl/t-kHrRnSkHua